Die Grenze durch Deutschland – Eine Chronik von 1945 bis 1990
Der Verein Grenzenlos – Wege zum Nachbarn e. V. veranstaltete am 04. Mai 2010 eine Lesung mit Roman Grafe im Helmstedter Sitzungssaal. In seiner Begrüßungsrede lobte der Vereinsvorsitzende Heinz-Dieter Eisermann, dass dieser Abend durch die Kooperation zum Grenzdenkmal Hötensleben e. V., zur Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn und zum Historischen Seminar der TU Braunschweig möglich geworden ist: „Es ist einfach schön, wenn Kooperationen nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch gelebt werden“.
Der Moderator der Lesung, Dr. Michael Ploenus von der TU Braunschweig, führte durch den Abend. Neben Roman Grafe nahm als Zeitzeuge Achim Walther aus Hötensleben teil, der von dem Moderator mit den Worten vorgestellt wurde: „Für Herrn Walther gilt das von Freya Klier benannte 11. Gebot – „Du sollst Dich erinnern!“ wie für keinen Anderen. Und so berichtete Achim Walther von seinem Leben im Sperrgebiet. Er resümierte, dass er sich nicht der SED-Diktatur beugte und dafür persönliche Nachteile einstecken musste. Mit den Ausmaßen der Grenzanlage lebte er einfach und verdrängte sie so gut es ging. Das Bewusstsein über die „Einmauerung“ wurde ihm erst wieder bewusst als ein Freund aus Frankfurt/Oder ihn besuchte.
Der Hauptakteur Roman Grafe wurde von Ploenus als „Freund des eindeutigen Wortes“ vorgestellt. So nimmt denn auch der Autor in seinen Büchern kein Blatt vor den Mund. In seinem Vortrag nennt er nicht nur die Opfer des SED Regimes namentlich, er nennt auch die Täter beim Namen. „Jeder hat eine eigene moralische Verantwortung!“ Für Roman Grafe hat die Stadt Helmstedt eine besondere Bedeutung. Im Februar 1989 ist er mit seiner Familie ausgereist und sah als ersten Ort im Westen Helmstedt. Ihm fielen klein parzellierte Felder und große Plakatwände auf. Am Abend der Lesung fiel ihm der gut gefüllte Sitzungssaal des Rathauses auf und er freute sich über das rege Interesse. In seiner Lesung widmete er sich hauptsächlich Geschichten, die einen Bezug zu Bahnreisenden von Ost nach West und umgekehrt und Szenen, die sich auf Bahnhöfen abgespielt haben. Er beschreibt sehr nüchtern und doch emotional, wie die Reisenden in den Zügen kontrolliert wurden und welche Eindrücke die Betroffenen dadurch hatten. Er schildert weiterhin ein Interview mit einem ehemaligen leitenden Zöllner der PKE (Passkontrolleinreise). Nicht ohne Ironie stellt Grafe fest: „Der PKE habe nie von Schusswaffen Gebrauch gemacht, sei immer freundlich zu den Reisenden gewesen und habe mit Westreisenden einen normalen Umgang gepflegt. Zweifel an Geschehnissen wurden nicht eingeräumt. Die Wiedervereinigung wurde auch von den Zöllnern begrüßt, schließlich habe man ja auch nur Befehle ausgeführt. Schuldgefühle bräuchten Zeit.“
Eine rege Diskussionsrunde mit dem Publikum schloss sich an.
